Kulturverein österreichischer Roma Dokumentations- und Informationszentrum

"Lassen wir den Mensch, Mensch sein"

Am 19. April 2024 wurde in der Stadt Salzburg dem Genozid an den Roma und Sinti gedacht.

Barbara Sieberth, Christian Klippl, Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf, Landtagsabg. Martina Berthold, desig. Bürgermeister Bernhard Auinger (v.l.).

Barbara Sieberth, Christian Klippl, Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf, Landtagsabg. Martina Berthold, desig. Bürgermeister Bernhard Auinger (v.l.).

Wie auch im letzten Jahr war die heurige Gedenkveranstaltung beim Mahnmal für Roma und Sinti witterungsbedingt geprägt von einer Kaltfront und zweitweisem Nieselregen. Umso erfreulicher war es für die Organisatoren, dem Kulturverein österreichischer Roma und dem Friedensbüro Salzburg, dass sich trotz der widerlichen Wetterbedingungen zahlreiche Gäste einfanden.

Der Obmann des Kulturvereins österreichischer Roma, Christian Klippl, sprach in seiner Rede davon, dass von den rund 300 Roma und Sinti, die im Lager Maxglan gefangen waren, die Mehrheit in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. 2024 jährt sich zum 80. Mal die Auflösung des sogenannten „Zigeunerfamilienlagers B II e“ in Auschwitz-Birkenau. In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 ermordeten die Nationalsozialisten die rund 4.300 im Lager verbliebenen Roma und Sinti – zumeist als arbeitsunfähig bezeichnete Frauen, Männer und Kinder. Sie wurden in die Gaskammern getrieben und umgebracht. Sie hatten keine Chance zu überleben. "2015 wurde der 2. August vom Europäischen Parlament als Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma anerkannt. Das österreichische Parlament erklärte im Jänner 2023 diesen Tag zum nationalen Gedenktag." 

Zentrales Roma-Mahnmal
Klippl hob in seiner Rede hervor, dass seit einigen Jahren von der Roma-Gemeinschaft der Wunsch besteht, ein zentrales Mahnmal in Wien zu errichten und die Umsetzung konkreter wird. "Der Nationalfonds der Republik Österreich ist mit der Entwicklung, Umsetzung und Erhalt einer Gedenkstätte für die Roma und Sinti betraut. Vorangegangen war eine Sitzung des Roma-Volksgruppenbeirats, in der die Beiratsmitglieder einstimmig zum Ausdruck gebracht haben, dass die Koordinierung betreffend einer zentralen Gedenkstätte durch den Nationalfonds unter größtmöglicher Partizipation der Roma-Community erfolgen soll."

Seit über 20 Jahren setzt sich ERINNERN:AT im Auftrag des Bildungsministeriums für das Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust ein.  Der Historiker Robert Obermair, Koordinator  Salzburg von Erinnern:at, berichtete über das Engagement der Bildungsplattform zur Erinnerung an die während der NS-Zeit verfolgten und ermordeten Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze. "Ziel unseres Jahresschwerpunkts ist es, Wissen über den Genozid an Roma und Sinti, aber auch seine Vor- und Nachgeschichte zu vermitteln und damit auch für die Ausgrenzung und Diskriminierung in der Gegenwart zu sensibilisieren. Zu den konkreten Lernmaterialien von ERINNERN:AT zählt die internationale Lern-Website romasintigenocide.eu.", so Obermair.

Schülerinnen und Schüler der Inklusiven Montessori Mittelschule.

Gegen das Vergessen
Landtagspräsidentin Dr. Brigitta Pallauf als auch der designierte Bürgermeister der Stadt Salzburg, Bernhard Auinger sprach davon, dass dieser Gedenkort an Menschen erinnert, denen schreckliches widerfahren ist, angetan von anderen Menschen. Auinger unterstrich die Bedeutung und Wichtigkeit der Erinnerungskultur der Stadt Salzburg und des Landes Salzburg. "Wir haben nach dem Tod des langjährigen Präsidenten der Israeltischen Kultusgemeinde Salzburg  Marko Feingold gesagt, dass Wirken des KZ-Überlebenden in den Schulen weiterzuführen." Die Landtagspräsidentin sprach in ihrer Rede darüber, dass die Geschichte nicht ausgelöscht werden kann und gelebt werden muss: "Aber was tun wir damit? Die größte Gefahr ist das Vergessen, das Verniedlichen, das Kleinmachen von Etwas. Nie wieder ist ein geflügeltes Wort geworden, dass ich so nicht verwenden möchte. Ich sage lassen wir den Mensch, Mensch sein."

Mit Nicole Sevik kam die Enkeltochter der KZ-Überlebenden Rosa Winter zu Wort, die über das Schicksal ihrer Familie erzählte. Winter wurde mit ihren Angehörigen in das KZ-Maxglan verschleppt und von der Filmregisseurin Leni Riefenstahl für den Film „Tiefland“ als Statistin missbraucht. 

Sigrid Gerlach und Sabine Linecker.

Prolog
Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse der Inklusiven Montessori Mittelschule des Diakonievereins in Salzburg hatten sich im Geschichtsunterricht und in Workshops intensiv mit den Themen Menschenrechte und Vorurteilen auseinandergesetzt. Dabei haben sie einige Texte und Gedichte aus der Zeit des 2. Weltkrieges angeschaut und vier literarische Werke, die sie sehr berührt haben, vorgestellt und kommentiert. Darunter das Gedicht  "Wer bin ich", vom Roma-Lyriker Ilija Jovanovic.


Musikalisch begleitet wurde die Gedenkstunde vom DUO LIBERTANGO.  

Druckversion