"Vielfalt und Verantwortung"
Matinee in der Wiener Hofburg anlässlich 25 Jahre Anerkennung der Roma als Volksgruppe
"Vielfalt und Verantwortung“ - unter diesem Titel stand am 16. Dezember 2018 die Matinee im Großen Redoutensaal, im Parlament, in der Hofburg anlässlich „25 Jahre Anerkennung der Roma am 16. Dezember 1993“ zu der Nationalratspräsident Mag. Wolfgang Sobotka und Bundesratspräsidentin Inge Posch-Gruska geladen hatten.
Von links: Stefan Horvath, Barbara Glück, Christian Klippl, Emmerich Gärtner-Horvath, Inge Posch-Gruska, Manuela Horvath, Wolfgang Sobotka, Sandra Szabo, Gerhard Baumgartner
© Parlamentsdirektion/Thomas Jantz
Die Bundesratspräsidentin betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass die Roma-Volksgruppe den europäischen Raum und die österreichische Kultur geprägt hätte. Sobotka, der die Schlussworte sprach, sagte, dass die Festveranstaltung jenen gelte, die während der NS-Herrschaft gelitten haben und ermordet wurden. Jenen die Konsequenzen gezogen haben und jenen die sich engagiert und andere überzeugt haben und jenen die die Arbeit fortsetzen. In der Tatsache der widrigen Lebensumstände der Roma-Volksgruppe in vielen Ländern der EU hält Sobotka es auch für eine notwendige europäische „Hausaufgabe“ die Volksgruppe und ein diesbezügliches europäisches Bewusstsein zu fördern: „Die EU-Kommission sollte aktiv werden und Lösungsansätze bereitstellen.“ Angesichts dessen, dass bei der Matinee BotschafterInnen und Gesandte der betroffenen Länder zahlreich vertreten waren, setzt der Nationalratspräsident hier besonders auch auf Unterstützung der Diplomatie.
Bilanz und Aussicht
Emmerich Gärtner Horvath, Vorsitzender des Volksgruppenbeirates der Roma, machte einen Rückblick und zog Bilanz der Aktivitäten der Roma-Vereine in Österreich der letzten 25 Jahre. Christian Klippl, Obmann des Kulturverein österreichischer Roma, ging auf die aktuelle Situation der Roma in Österreich und Europa ein. Der Roma-Beiratsvorsitzende wertete die Rolle Österreichs in der Roma-Politik als beispielgebend in Europa. Darunter fällt auch die Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte der Roma und Sinti während der NS-Herrschaft und hob die namentliche Erfassung der Holocaustopfer der Roma und Sinti und die Zeitzeugendokumentation "Mri Historija" hervor.
Diese beiden wissenschaftlichen Arbeiten wurden von der öffentlichen Hand sowie vom Nationalfonds der Republik Österreich finanziell gefördert. Gärtner-Horvath dankte die im Plenarsaal anwesende Generalsekretärin Mag. Hannah Lessing und ihrem Team für die Unterstützung, aber auch dafür, als 1995 der Nationalfonds seine Arbeit aufnahm, hatten die Angehörigen der Roma-Volksgruppe erstmalig einen Zugang zu einer Einrichtung der Republik Österreich. „Ihnen und ihrer Leidensgeschichte wurde Aufmerksamkeit geschenkt. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben, über ihr Schicksal stundenlang zu sprechen, ihnen wurde zugehört, sie wurden nicht abgewiesen. Die Menschlichkeit stand bei diesen einfühlsamen Gesprächen stets im Vordergrund.“
Abschließend bekundete Gärtner-Horvath all jenen Menschen seinen Dank, die in dieser wichtigen Sache, begleitet und unterstützt haben: „Ganz besonders unserem verstorbenen ‚Schero Rom‘ Prof. Rudolf Sarközi, dem Motor und Impulsgeber zur Anerkennung.“
Christian Klippl wünscht sich, die Geschichte der Roma als Fixpunkt im Unterrichtsplan.
© Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen
Auf die triste Situation der Mehrheit der in Europa lebenden ca. 12. Millionen Roma, vor allem in Südosteuropa machte Christian Klippl aufmerksam. Er verwies auf den EU-Rahmenplan zur Integration der Roma (Roma-Strategie) 2020, der seine besondere Aufmerksamkeit auf Zugang zur Bildung, zum Arbeitsmarkt, zum Gesundheitssystem und zum Wohnungsmarkt richtet. Er zitierte aus einem Bericht der EU-Grundrechteagentur aus dem Jahr 2016 wo darin festgehalten wird, dass die Mitgliedstaaten ihre Ziele weitgehend verfehlen.
Klippl ging in seiner Rede auch auf das Vereinsleben der Roma-Organisationen im Burgenland, Wien und Teilen Österreichs ein. Er verwies darauf, dass die öffentliche und mediale Präsenz zur der Vereine ein wichtiger Bestandteil der Arbeit sei: „Viele haben eine Vereinshomepage, sind auf Facebook und haben Vereinszeitungen die periodisch erscheinen. Der ORF bietet unter Mitarbeit der Volksgruppen eigene TV- und Radiosendungen.“
Als Präsent übergaben Roma-Jugendliche dem Nationalratspräsidenten und der Bundesratspräsidentin zeitgeschichtliche Dokumentationen und wissenschaftliche Arbeiten über die Roma-Volksgruppe, die in den 25 Jahren seit der Anerkennung von den Roma-Organisationen erstellt wurden.
Festvortrag von Dr. Baumgartner
Den Festvortrag hielt der wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Mag. Dr. Gerhard Baumgartner, in dem er die jüngere Geschichte der Volksgruppe in Österreich und Europa darstellte. Der Historiker unterstrich, dass im Vergleich mit den Ländern des ehemaligen Ostblocks die Integration der Volksgruppenangehörigen der Roma in Österreich vorbildlich verlaufen ist. Bezüglich der Roma-Bevölkerung der Ostländer stellte Baumgartner fest, dass die Verlierer der Ostöffnung waren. Er berichtete von einer Studie, bei den mehrere Tausend Menschen in Tschechien, der Slowakei, in Ungarn, Rumänien und Bulgarien befragt worden waren. Sie ergab, dass das Prädikat "Arm" mit der Volksgruppenbezeichnung "Roma" gleichgesetzt wird. Baumgartner: „Man spricht von einer ‚Ethnisierung der Armut‘. Sie sei der Grund, warum rechtsextreme Gruppen in den betroffenen Ländern einen derartigen Zulauf von armen Menschen haben. Wie sonst sollten arme Leute beweisen, dass sie nicht aufgrund ihrer Ethnie arm sind?"
Alltagserlebnisse
DDr. Barbara Glück, Direktorin des 'Mauthausen Memorial, führte ein Gespräch mit der Oberwarter Romni Manuela Horvath (33), Angehörige der Volksgruppe der Roma, und dem Roma-Schriftsteller Stefan Horvath (69), in dem die persönlichen Erfahrungen, aber auch das sich geänderte Bewusstsein zur Sprache kamen. Der Oberwarter Rom erzählte von seinem von Diskriminierung gekennzeichneten Bildungsweg und dem Rohrbombenattentat 1995, bei dem sein Sohn und drei weitere Bewohner der Siedlung ermordet wurden.
Keine Diskriminierung erfuhr Manuela Horvath. Ihr Schul- und Ausbildungsweg verlief wie die Wege vieler Burschen und Mädchen ihres Alters. Manuelas Großvater, Michael Horvath, wurde von den Nazis verfolgt und verbrachte sieben Jahre in Konzentrationslagern. Für die meisten ehemaligen KZ-Insassen in der Oberwarter Roma-Siedlung war die Zeit des Nationalsozialismus ein Tabu-Thema. Michael Horvath, war eine Ausnahme. Manuela Horvath: Er sprach täglich von seinen Demütigungen durch die Nazis. Daher fühle ich mich verpflichtet, in Schulen bei Kindern und Jugendlichen gegen Vorurteile anzukämpfen und aufzuklären.“ Auch Stefan Horvath geht als Vertreter von Zeitzeugen in Schulen und berichtet von seinen Diskriminierungen. Boci Mischka wie Michael Horvath von vielen genannt wurde, verlor zwei Enkel beim Attentat von 1995.
Musikalisch umrahmt wurde die Matinee mit traditionellen Liedern der Roma, dargeboten von Amenza Ketane unter der Leitung von Hojda Willibald Stojka.
Moderiert wurde die Matinee von Sandra Szabo, Religionsjournalistin und Moderatorin. Sie arbeitet seit 1994 für den ORF, bis 2014 war sie Mitarbeiterin der Hörfunk-Abteilung Religion und gestaltete zahlreiche Ö1-Sendungen. Seit Jänner 2018 moderiert sie auch das ORF-TV-Religionsmagazin. Sandra Szabo ist in Wien aufgewachsen, hat die Katholische Medien Akademie absolviert und Politikwissenschaft studiert.