Kulturverein österreichischer Roma Dokumentations- und Informationszentrum

Rudolf Sarközi gründete 1991 den Kulturverein österreichischer Roma

Erinnerung an
Prof. Rudolf Sarközi  - Ehrenobmann

Sein Leitsatz:
"Es gibt keine Rassen, es gibt nur Menschen

anderer Hautfarbe und anderer Nationalität"


Am Samstag, 12. März 2016 ist Prof. Rudolf Sarközi, Gründer des Kulturverein österreichischer Roma und Vorsitzender des Volksgruppenbeirates der Roma, nach tapfer ertragenen Leids im 72. Lebensjahr verstorben.

Lebenslauf und beruflicher Werdegang
Rudolf Sarközi wurde am 11. November 1944 im KZ-Lackenbach als erstes Kind von Paula Sarközi und Rudolf Weinrich geboren. Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen im Burgenland und der Auflösung des KZ-Lackenbach zog er mit seiner Mutter nach Unterschützen, jenem Ort im südlichen Burgenland aus dem seine Mutter stammt und wo 1946 seine Schwester Paula zur Welt kam. Zu dieser Zeit trennten sich seine Eltern und die Mutter wurde zur Alleinerzieherin. Sie arbeitete als Bauhilfsarbeiterin (Mörtelfrau). In Unterschützen besuchte Sarközi die 8-jährige Volksschule. Als Außenseiter der Gesellschaft ("Zigeuner") war es für ihn unmöglich einen Lehrplatz zu bekommen. Nach seinem Schulabgang blieb ihm nur die Wahl, die Tätigkeit eines Hilfsarbeiters auszuüben. Er arbeitete am Hoch- und Tiefbau, sowie als Monteurhelfer bei einer Wasser- und Heizungstechnikfirma. 1964 heiratete er seine Frau Helga, im selben Jahr wurde ihr gemeinsamer Sohn Andreas geboren.

Die schlechte gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Lage zwang ihn, mit seiner Familie den Heimatort zu verlassen. Da seine Frau Wienerin ist, war es naheliegend nach Wien zu ziehen. 1964/65 absolvierte er den Präsenzdienst beim Jägerbataillon 4 in Wien. Über den ordentlichen Präsenzdienst hinaus stand er dem Österreichischen Bundesheer noch 15 Jahre als Reservist zur Verfügung.

Seit damals lebte Sarközi mit seiner Familie in Wien. Wien wurde zu seinem Lebensmittelpunkt. Er bekam damals einen Arbeitsplatz bei einer Elektro- und Blitzschutzfirma, bei der er 16 Jahre beschäftigt war. Sarközi schaffte es vom einfachen Hilfsarbeiter bis zum technischen Angestellten, ehe diese Firma im Herbst 1980 in Konkurs ging und er einen neuen Arbeitsplatz suchen musste. Er wechselte den Beruf und wurde im Jänner 1981 bei der Gemeinde Wien Magistratsabteilung 48 als Kraftfahrer im städtischen Fuhrpark aufgenommen. Der Aufgabenbereich war sehr vielseitig. Die Arbeit die er ausübte ging vom Fahren mit der Kehrmaschine, Schneeräumfahrzeug bis zum Müllsammelfahrzeug. Innerbetrieblich gehörte er acht  Jahre dem Dienststellenauschuss des Betriebsrates an.
Nach 8-jähriger Tätigkeit im Dienststellenauschuss musste er diese Tätigkeit aufgrund neuer Aufgaben beenden. Das Verfahren zur Anerkennung der Roma und Sinti als österreichische Volksgruppe, das er einleitete und das von ihm ausging, verlangte seinen vollen persönlichen Einsatz. Seit der Gründung des Kulturverein österreichischer Roma am 20. Juni 1991,  und seit der Anerkennung als Volksgruppe am 16. Dezember 1993, wurden für die Verbesserung der Roma in vielen Lebensbereichen wesentliche Erfolge erzielt. Österreich ist das einzige Land in Europa das uns Roma und Sinti die gleichen Rechte einräumt wie den anderen anerkannten Volksgruppen dieses Landes. Dass Roma und Sinti die rechtliche Gleichstellung wie die anderen fünf Volksgruppen haben wäre ohne seinem unermüdlichen Einsatz nicht möglich gewesen. Vom Beruf als Kraftfahrer wurde er mit  20. Juli 1997 im Interesse der Öffentlichkeit karenziert. Mit 1. Dezember 2005 ist Sarközi in den Ruhestand getreten.

Ehrenamtliche Obmanntätigkeit
Im Ruhestand übte er ehrenamtlich die Tätigkeit als Obmann des Kulturverein österreichischer Roma aus und war im Büro nahezu täglich erreichbar. Am 3. Juni 1996 wurde das Roma-Doku, wie wir es in Kurzform nennen, von Bundespräsident Dr. Thomas Klestil, im Beisein des damaligen Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky und dem Wiener Bürgermeister Dr. Michael Häupl seiner Bestimmung übergeben. Dieses Roma-Doku wird vom Vereinsgründer geleitet und wurde zur Informations-, Dokumentations- und Begegnungsstätte für die eigene Volksgruppe, der Mehrheitsbevölkerung und jedem Interessierten.

Vorsitzender des Volksgruppenbeirats der Roma
Am 5. September 1995 fand die konstituierend Sitzung des Volksgruppenbeirates im Bundeskanzleramt statt. Zum Vorsitzenden (für eine Periode von vier Jahren) wurde Rudolf Sarközi gewählt. Bei der Neuwahl wurde er mehrmals gewählt und stand dem Beirat bis zu seinem Ableben als Vorsitzender den Volksgruppenbeirat der Roma vor.

Seit 1994 erscheint viermal jährlich die Informationszeitung ROMANO KIPO (Roma Bild), für die ich als Herausgeber verantwortlich bin. All diese Maßnahmen und Aufgaben sind für ein besseres Verständnis und für eine vorurteilsfreie Begegnung mit meiner Volksgruppe erforderlich.

Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit
Einen breiten Raum seiner Arbeit nahm die Errichtung und Erhaltung von Gedenkstätten und Mahnmalen im In- und Ausland, wie Errichtung der ständigen Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz. Seit 1997 nahm er am 2. August an der alljährlichen Gedenkstunde beim Mahnmal für Roma und Sinti in Auschwitz-Birkenau Die Gedenkstunde beim Mahnmal für Roma und Sinti erinnerte an die Liquidation des sogenannten "Zigeuner-Familienlagers" B II e. In der Nacht vom zweiten auf den dritten August 1944 hatten die Nationalsozialisten 2.900 Männer, Frauen und Kinder der Roma-Volksgruppe auf Lastkraftwagen geladen, zu den Gaskammern gebracht und in einer unvorstellbaren Vernichtungsaktion ermordet.
Ein weiterer wichtiger Gedenkort ist Lodz wo die Nationalsozialisten im ehemaligen jüdischen Ghetto Litzmannsstadt - dem heutigen Lodz - ein "Zigeunerlager" einrichteten. Zwischen November 1941 und Jänner 1942 starben hier 5.007 österreichische Roma und Sinti.

Ab 2004 reiste er mit dem Historiker Mag. Dr. Gerhard Baumgartner mehrmals nach Lodz, um in Zusammenarbeit mit Oberrabbiner Dr. Simcha Keller die Gräber der österreichischen Opfer zu finden. Da im Ghetto Litzmannstadt auch tausende Wiener Juden ums Leben kamen, beteiligte sich die Stadt Wien auf meine Anregung mit einer Spende von
€ 100.000 an der Errichtung der Gedenkstätte Radegast in Lodz. Anläßlich der Eröffnungsfeiern 2005 enthüllte der ehemalige Wiener Bürgermeister Dr. Helmut Zilk gemeinsam mit Sarközi zwei Gedenktafeln für die österreichischen Opfer.

2009 errichtete die Stadt Lodz auch am Ort des ehemaligen „Zigeunerlagers“ eine eigene Gedenkstätte. Anlässlich des 70. Jahrestages der Liquidierung des "Zigeuner-Ghetto" enthüllte er am 12. Jänner 2012 gemeinsam mit der Bürgermeisterin der Stadt Lodz, Hanna Zdanowska, Oberrabbiner Symcha Keller, Konsul Szczepan Milosz, Dr. Herbert Krauss, österreichischer Botschafter in Polen, und Mag. Stella Avallone, Gesandte der österreichischen Botschaft in Polen, eine von der Republik Österreich gestiftete Gedenktafel an der Mauer des jüdischen Friedhofs, die an die von den Nationalsozialisten ermordeten österreichischen Roma und Sinti erinnert. Einen wesentlichen Beitrag leistete Sarközi für das Zustandekommen der ständigen Ausstellung zum "NS-VÖLKERMORD AN DEN ROMA UND SINTI" im Staatlichen Museum Auschwitz, die am 02. August 2001 in einem feierlichen Festakt der Öffentlichkeit übergeben wurde.

Seit 1990 findet alljährlich im November in Lackenbach, vor dem Mahnmal für Roma und Sinti, eine Gedenkkundgebung statt. In Mauthausen wurde durch meine Initiative, 49 Jahre nach der Befreiung des KZ-Mauthausen, am 27. April 1994 die erste Gedenktafel für Roma und Sinti angebracht. Zur selben Zeit begann ich mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma mit der Planung und Errichtung des Mahnmales in Mauthausen, welches am 09. Mai 1998 enthüllt wurde. An den Gedenkstunden vor diesen Mahnmalen und Gedenktafeln nehmen die Spitzenpolitiker unseres Landes (Bundeskanzler, Minister, Landeshauptleute) als Gedenkredner teil.
Seit April 2002 findet alljährlich vor dem Mahnmal für Roma und Sinti in der Stadt Salzburg, Ignaz Rieder Kai 21, welches im Dezember 1985 enthüllt wurde, eine Gedenkkundgebung mit Kranzniederlegung statt.

Roma-Fonds
Durch das Attentat in Oberwart musste er als Beiratsvorsitzender mehr als ihm lieb war seine Volksgruppe in der Öffenlichkeit präsentieren. Gerade diese Aufgabe verlangte sehr viel Fingerspitzengefühl um nicht in den Trubel der Verleumdungen und Unwahrheiten hineingezogen zu werden. Für das Benefizkonzert am 06. März 1995, "STIMMEN GEGEN HASS UND GEWALT", das anlässlich des Attentats von Oberwart in der Wiener Stadthalle veranstaltet wurde und enormes öffentliches Interesse erweckte, kam die Initiative von Sarközi. Der Reinerlös wurde den Hinterbliebenen des Attentats übergeben. Nach diesem furchtbarem Attentat gründete er im Juni 1995 den Roma-Bildungsfonds, dem er als Kurator bis zuletzt vorstand und dessen Sitz in Wien ist. Die Tätigkeit des Fonds erstreckt sich über das gesamte Bundesgebiet. Er leistet finanzielle Hilfe bei der Ausbildung und Weiterbildung eines Kindes oder Jugendlichen, sowie der Erwachsenenbildung von Roma. Vor einigen Jahren hatten wir in der Roma-Siedlung von Oberwart und Umgebung überwiegend Sonderschüler. Der Erfolg ist durch die finanzielle Hilfe sichtbar. Dank des Roma-Fonds gibt es keine Sonderschüler, es gibt Abschlüsse als Facharbeiter, als HAK-Absolventen sowie im universitäteren Bereich und Fachhochschulen. Aber auch im zweiten Bildungsweg der Erwachsenen konnte der Roma-Fonds mit seiner Unterstützung positiv Einwirken.

Forschungsprojekte
Die Geschichte der Roma war nach 1945 nicht erforscht. Hier habe hat Rudolf Sarközi mit dem damaligen Wissenschaftsminister Dr. Caspar Einem einen Forschungsauftrag initiiert, die von den Historikern Mag. Dr. Gerhard Baumgartner und Univ.-Doz. Dr. Florian Freund durchgeführt und im Jahr 2002 abgeschlossen wurde. Gleichzeitig arbeiteten und forschten Mag. Dr. Gerhard Baumgartner und Doz. Dr. Florian Freund an der Aufarbeitung des Vermögensentzuges, Restitution und Entschädigung der Sinti und Roma in der Historikerkommission, dessen Bericht 312 Seiten umfasst. Die Arbeit des Forschungsprojekts "NAMENTLICHE ERFASSUNG DER IM NATIONALSOZIALISMUS ERMORDETEN ÖSTERREICHISCHEN ROMA UND SINTI" wurde mit 01. Juli 2003 begonnen und mit 31.12.2007 vorläufig abgeschlossen. Bei neuen Forschungsmaterial wird die Datenbank ergänzt. Die Datenbank befindet sich im Roma-Doku. Wissenschaftliche Leiter: Dr. Mag. Gerhard Baumgartner und Univ-Doz. Dr. Florian Freund.

Weitere Funktionen die Prof. Rudolf Sarközi ausübte

  • Kuratoriumsmitglied - Mauthausen Komitee Österreich Kuratoriumsmitglied - Internationales Forum Mauthausen (IFM)
  • Kuratoriumsmitglied - Nationalfonds der Republik Österreich und Allgemeiner Entschädigungsfonds und Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich
  • Kuratoriumsmitglied - Opferfürsorge im Sozialministerium -
  • Kuratoriumsmitglied - Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
  • Gründungsmitglied (1989) - Verein Roma in Oberwart
  • Vorstandsmitglied - Verein "Niemals Vergessen" (Zivildienst im Ausland)
  • Vizepräsident - Österreichisches Volksgruppenzentrum (ÖVZ)
  • CIVIS - Europas Medienpreis für Integration. Juryvorsitzender für Romabeiträge getragen von: ARD / ZDF / WDR / ORF / ARTE / PHOENIX / SRG SSR idée suisse /3sat / RTV Slovenia / EBU-UER / Europäisches Parlament / Freudenberg Stiftung / Sparkassen-Finanzgruppe / Beauftrage der Deutschen Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge, und Integration / FRA
  • Stellvertreter der Vorsitzenden des gesellschaftlichen Beirats zur Neugestaltung der ständigen Ausstellung des so genannten Österreich-Pavillon im ehemaligen Konzentrationslager und des heutigen staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau

Auszeichnungen

  • 21.07.1998 - "GROSSE EHRENZEICHEN DES LANDES BURGENLAND"
  • 09.02.1999 - "GOLDENES VERDIENSTZEICHEN DER REPUBLIK ÖSTERREICH"
  • 15.04.1999 - "GOLDENES VERDIENSTZEICHEN DES LANDES WIEN"
  • 30.01.2000 - "EHRENZEICHEN DES LANDES KÄRNTEN", anlässlich des V. Oberwarter Volksgruppenkongresses
  • 17.10.2001 - "SOLIDAR SILVER ROSE", EU-Auszeichnung für humanitäres Engagement und Verdienste um die Menschenrechte (Verleihung im EU-Parlament in Brüssel
  • 07.05.2003 - "OTTO BAUER PLANKETTE", für den aktiven Einsatz gegen den Faschismus, verliehen durch den Bund sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Opfer des Faschismus und Aktiver Antifaschisten
  • 24.09.2006 - Verleihung der "Viktor Adler Plakette", die höchste Auszeichnung der SPÖ für aktive Mitglieder und ihrer Verdienste
  • 22.11.2007 - "GOLDENE EHRENZEICHEN DES LANDES STEIERMARK"
  • 09.12.2008 - "GOLDENE EHRENZEICHEN DES LANDES NIEDERÖSTERREICH"
  • 09.03.2010 - "GOLDENE EHRENZEICHEN FÜR VERDIENSTE UM DAS LAND WIEN"
  • 06.04.2010 - "GOLDENE EHRENZEICHEN FÜR VERDIENSTE UM DIE REPUBLIK ÖSTERREICH"
  • 15.05.2013 - "KOMTURKREUZ DES VERDIENSTORDENS DER REPUBLIK POLEN" (Beschluss vom 21. November 2012 - unterzeichnet von Bronislaw Komorowski, Präsident der Republik Polen)
  • 15.11.2014 - "KOMTURKREUZ DES LANDES BURGENLAND"

Größte Auszeichnung

  • 24.10.2002 - Verleihung des Berufstitels "PROFESSOR" mit Entschließung von Bundespräsident Dr. Thomas Klestil 07.11.2002 - Unterzeichnung von Frau BM für Bildung, Wissenschaft und Kunst Elisabeth Gehrer.
  • 16.11.2002 - Überreichung des Dekret durch BM f. Inneres Dr. Ernst Strasser im Anschluss der Gedenkstunde vor dem Mahnmal für Roma und Sinti in Lackenbach.
  • 05.05.2004 Ansprache vor den Mitgliedern des National- und Bundesrates im Historischen Sitzungssaal des Parlaments, anlässlich des Nationalen Gedenktages im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus "GEGEN VERGESSEN, ROMA - 10 JAHRE ÖSTERREICHISCHE VOLKSGRUPPE" .

Publikation

  • 2008 - Buch: "ROMA - Österreichische Volksgruppe. Von der Verfolgung bis zur Anerkennung" Präsentation am 20. Oktober 2008, im Lokal VI des österreichischen Parlaments im Beisein von Nationalratspräsidentin Mag. Barbara Prammer und Bundeskanzler a.D. Dr. Franz Vranitzky.
  • 2011 - Buch: "Vom Rand in die Mitte - 20 Jahre Kulturverein österreichischer Roma", Eigenverlag, beim Kulturverein österreichischer Roma erhältlich POLITISCHE TÄTIGKEIT

POLITISCHE TÄTIGKEIT

  • März 2001  - Dezember 2010 Bezirksrat in seinem Wohnort in Wien Döbling (19. Bezirk).
  • Kuratoriumsmitglied des Bundesvorstandes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer/innen, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschisten/innen.